BayZBE leitet Hochwasseranalyse zum Ahrtaleinsatz ein
und stößt Review Prozess mit allen Hilfsorganisationen an.
Einsatzkräfte aus ganz Bayern waren im Juli und August letzten Jahres zur Einsatzbewältigung nach dem Ahrtal Hochwasser im Schadensgebiet und halfen bei Erstversorgung, Aufräumarbeiten und Versorgungsbetreuung der Angehörigen und Helfenden vor Ort. Insgesamt 130.000 Einsatzstunden an 24 Tagen, mehr als 1.800 Helfer und 320 Fahrzeuge wies die Bayerische Unterstützungsleistung abschließend auf – und stellte damit die größte „externe“ Hilfeleistung in Deutschland.
Bei dem lokalen Starkregenereignis vom 14/15.07.2021 durch das sehr beständige Tief „Bernd“, kam es zu einer Vielzahl an Überflutungen mit mehr als 200 Hektar Fläche in mehr als 250 betroffenen Ortschaften. Die historischen Pegelstände von geschätzten 7 m – im Vergleich zum ehemaligen Höchststand von 3,21 m – führten zu Sturzfluten entlang der Ahr, die in Deutschland mindestens 182 Menschen das Leben kosteten, davon allein 132 im Ahrweilerkreis.
Schon in den Morgenstunden des 15. Juli ermöglichten die Schulungsräume des BayZBE den schnellen Aufbau eines Unterstützungsstabs für die geplante Bayerische Hilfsleistung der Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsschutz, der im Verlauf in die Eigenverantwortung der Organisationen übergeben wurde – Wetteraussichten, Schadensmeldungen, bereitstehende Kontingente aus verschiedenen Verbänden und Meldungen aus dem Europäischen Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen (ERRCC) in Brüssel konnten aufgenommen und dann an die Lagestäbe der Organisationen überführt werden.
In den Folgetagen des Unwetters berichteten vermehrt Einsatzkräfte von der Intensität des Einsatzes, bezeichneten die Zerstörung als „kriegsähnlich“ und berichteten von der Zusammenarbeit mit Betroffenen, unzähliger Einsatzkräfte verschiedenster Organisationen aus allen Bundesländern und der Kanalisierungsschwierigkeiten des enormen Helferwillens von spontan Helfern.
Das BayZBE startete darauf eine Einsatzbetrachtung, um frühzeitig Erkenntnisgewinne aus dem Unterstützungseinsatz zu ziehen:
Was lief gut, förderte den Erfolg des größten überregionalen Einsatzes in der Nachkriegsgeschichte und kann als „Best Practice“ für zukünftige, durch den Klimawandel erwartbare und verstärkte, Naturkatastrophen in Leitlinien übernommen werden?
Und im Gegensatz: Wo gibt es Entwicklungspotentiale, „Lessons learnt“, aus denen man notwendige oder mögliche Maßnahmen herausfiltern kann, um den Einsatzablauf für zukünftige besondere Einsatzlagen zu stärken und den Einsatzkräften weitere Werkzeuge an die Hand zu geben, um Eigenschutz zu stärken, Prozesse zu verbessern und die Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure zu fördern?
In einem ersten Schritt wurden elf Einsatzinterviews mit Rettungskräften geführt, deren Erfahrungen aus unterschiedlichsten Blickwinkeln ein umfassendes Gesamtbild der Hilfeleistung zeichneten: Teilnehmer vom BRK, Malteser, Johanniter und der Freiwilligen Feuerwehr in verschiedensten Rollen, wie Lagedienst, Kontingentführung, Verbindungsdienst, Betreuung und PSNV, und unterschiedlichem Rang, wie Einsatzkraft, Führungskraft und Stabsmitglied.
Neben der Vorstellung der gesammelten Ergebnisse in den einzelnen Bayerischen HiOrgs wurden die gefundenen limitierenden Faktoren auch in einem Arbeitskreis des Deutschen Komitees Katastrophenvorsorge mit weiteren Instituten, Forschern und Verbänden vorgestellt, um deutschlandweit Erkenntnisse aus dem Hochwassereinsatz zu bündeln.
Nachdem relevante Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Einsatz zusammengebracht und über 110 Schlüsselfaktoren, die eine Lagebereinigung limitiert oder gefördert haben, benannt waren, sollen diese nun in einen stärkeren Katastrophenschutz überführt werden. In diesem Prozess übernahm das BayZBE gemeinsam mit den beteiligten Verbänden eine Moderatorenrolle:
Um umsetzbare Konsequenzen aus den Erfahrungen zu ziehen, mussten Maßnahmen aus den Schlüsselfaktoren abgeleitet werden: Mit Vertretern von ASB, BRK, JUH und MHD wurden neun Themenbereiche benannt, mit rund 50 gewichteten Schlüsselfaktoren und daraus ein Katalog an möglichen Handlungsempfehlungen erstellt. Im Folgenden wird nun in Arbeitsgruppen eine Implementierung dieser Maßnahmen in den Hilfsorganisationen ermöglicht. Damit soll das übergreifende Ziel, die Stärkung des Katastrophenschutzes und die Steigerung der Resilienz unser Einsatzkräfte, weiter gefördert werden.
Dabei werden unterschiedliche Themen angesprochen:
‘Welche einsatzindividuellen Erfahrungen wurden hinsichtlich Einsatzkleidung, Verpflegung, Gefahrenbewusstsein und Einsatzdauer gemacht?
‘Wie kann man den Informationsverlust bei Übergaben reduzieren und gesammelte Daten standardisierter vorhalten?
‘Wie kann man den Kommunikationsfluss und Austausch im Stab im Zusammenspiel mit anderen Bundesländern und mehreren Hilfsorganisationen stärken?
‘Welche Möglichkeiten gibt es zur Erstellung und Aufrechterhaltung einer Gesamtlageübersicht und mit welchen Mitteln kann die Kommunikation gestärkt werden?
‘Revision der Kontingentstruktur zu einem modularen Aufbau zur zielgerichteten Ressourcenverwendung?
‘Welche Unterstützungsleistungen im Bereich PSNV müssen gefördert werden?
‘Wie kann die Aus- und Weiterbildung für Einsatzkräfte noch besser auf eine wandelnde Gefahrenlage bei besonderen Einsatzlagen angepasst werden?
Warst du auch an dem Einsatz im Juli/August beteiligt? Hast du positive, wie negative Erfahrungen gemacht, die deiner Meinung nach den Einsatz beeinflusst haben? Dann melde dich gerne bei deinem Verband, der dich an den passenden Ansprechpartner weiterleitet oder kontaktiere uns direkt unter: info@bayzbe.de, Betreff: „Hochwassereinsatz 2021“!
Wir freuen uns über deine Erlebnisse und Ideen – denn nur gemeinsam können wir eine starke Antwort auf Katastrophen liefern!
Autor: Wilko Beinlich, BayZBE Projektmanagement
Bildrechte: Maximilian Zeuch